Dr. Dieter Kraus

Tübinger Examensklausurenkurs Öffentliches Recht SS 1997


1. Klausur, Samstag, 31. Mai 1997: Nichts los im Moos

A. Aufgabentext , B. Lösungskizze
 

B. Lösungsskizze:

Vorbemerkung für die Korrekturassistenten: Als bundeslandunabhängige Aufgabenstellung legt der Fall bei der naturschutzrechtlichen Entschädigungsregelung folgende - fiktive - Vorschrift eines § 90 LNatSchG zugrunde: Hat eine Behörde aufgrund dieses Gesetzes eine Maßnahme getroffen, die über die Sozialbindung des Eigentums hinausgeht, insbesondere weil sie eine wesentliche Nutzungsbeschränkung darstellt, die die wirtschaftliche Nutzbarkeit des Grundstückes unvermeidlich und erheblich beeinträchtigt, so ist dem Eigentümer oder dem sonstigen Berechtigten nach den Vorschriften des Landesenteignungsgesetzes Entschädigung in Geld zu leisten. - Für die Zwecke der Tübinger Klausurkorrektur ist dieser fiktive § 90 LNatSchG durch die Regelung des § 47 bad.-württ. LNatSchG zu ersetzen. Näher dazu die *-Anmerkung im Text.

Die Verfassungsbeschwerde hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

A. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde

I. Beteiligtenfähigkeit

Als ‘jedermann’ i.S. des Art. 93 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG ist E im Verfassungsbeschwerdeverfahren beteiligtenfähig.

II. Beschwerdegegenstand

E wendet sich gegen eine Naturschutzverordnung, die als Rechtsverordnung erging und ein Gesetz im (nur-)materiellen Sinne darstellt. Im Hinblick darauf, daß § 90 I BVerfGG in Übereinstimmung mit Art. 93 I Nr. 4a GG die Verfassungsbeschwerde nicht auf bestimmte Akte öffentlicher Gewalt beschränkt, können auch Rechtsnormen, und zwar sowohl Parlamentsgesetze als auch unter einem formellen Gesetz stehende Normen wie Rechtsverordnungen oder Satzungen Beschwerdegegenstand sein (Rechtssatzverfassungsbeschwerde)
Wegen der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung der Naturschutzverordnung wäre ferner an eine Urteilsverfassungsbeschwerde zu denken. Freilich wird der Beschwerdegegenstand grundsätzlich durch den Beschwerdeführer bestimmt. Da E die Naturschutzverordnung angreift, ist sie Beschwerdegegenstand, und zwar in der Auslegung, die sie im fachgerichtlichen Verfahren erhalten hat (2).

III. Beschwerdebefugnis

E müßte behaupten, durch die Naturschutzverordnung selbst, gegenwärtig und unmittelbar in einem seiner in Art. 93 I Nr. 4a GG aufgeführten Rechte verletzt zu sein; diese Behauptung müßte eine gewisse Plausibilität besitzen.

1. Betroffene Grundrechte

E rügt in der Sache eine Verletzung der Artt. 2 II 2, 3, 11 und 14 GG. Angesichts der schwerwiegenden und ihn im Verhältnis zu seinen Grundstücksnachbarn ungleich stärker treffenden Nutzungsbeschränkungen ist die Betroffenheit für Art. 3 und Art. 14 GG nicht fraglich. Bezüglich Art. 2 II 2 und Art. 11 GG ist der Vortrag des E zwar knapp, wegen der Bezugnahme auf die Betretungsverbote und seine Campingabsichten aber dennoch hinreichend substantiiert.

2. Eigene, gegenwärtige und unmittelbare Betroffenheit

Da die Rechtsverordnung das Grundstück des E erfaßt, bereits in Geltung steht und keiner Ausführungsakte bedarf, um gegenüber E Wirkung zu entfalten, ist auch das bei Rechtssatzverfassungsbeschwerden besonders zu beachtende Erfordernis, daß der Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist, erfüllt (3). Insbesondere ist es E nicht zuzumuten, abzuwarten, bis die Behörden Verstöße gegen die Naturschutzverordnung ahnden, und erst gegen diese Sanktionen vorzugehen (4).

IV. Rechtswegerschöpfung

Gemäß § 90 II 1 BVerfGG ist die Verfassungsbeschwerde grundsätzlich nur zulässig, wenn vorher der Rechtsweg erschöpft wurde. Gegen die Naturschutzverordnung war verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle nach §§ 40, 47 VwGO möglich. Diesen Rechtsweg hat E erfolglos beschritten. Weitere Rechtsschutzverfahren standen ihm nicht zur Verfügung.

V. Frist und Form

§ 93 III BVerfGG sieht vor, daß Verfassungsbeschwerden gegen ein Gesetz nur innerhalb eines Jahres erhoben werden können. Zu den Gesetzen im Sinne dieser Vorschrift gehören nicht nur formelle Gesetze, sondern auch Rechtsverordnungen (5). Da die Frist mit dem Inkrafttreten der Naturschutzverordnung zu laufen beginnt, wäre die Verfassungsbeschwerde jedoch offensichtlich verfristet. Allerdings beschränkt der 2. Halbsatz des § 93 III BVerfGG den Anwendungsbereich dieser Fristregelung auf Beschwerdegegenstände, gegen die kein Rechtsweg offensteht. Wegen der in §§ 40, 47 VwGO eröffneten verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle kommt die Jahresfrist hier daher nicht zum Zuge. Vielmehr ist auf die allgemeine Regelung in § 93 I 1 BVerfGG zurückzugreifen, derzufolge eine Monatsfrist gilt. Die Erhebung der Verfassungsbeschwerde eine Woche nach der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde war somit fristgerecht (6).
Die Beachtung der Formanforderungen darf unterstellt werden.

B. Begründetheit der Verfassungsbeschwerde

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn E in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt ist.

I. Art. 14 GG (Eigentum)

1. Schutzbereich

Das Grundstück des E gehört als vermögenswertes Recht des Privatrechts zum Eigentum i.S. des Art. 14 GG (7). Über das Innehaben des betreffenden Vermögensrechts hinaus umfaßt der Grundrechtsschutz auch dessen Verwendung, d.h. den Gebrauch, die Veräußerung etc. (8). Die Nutzung des Grundstücks zu Freizeitzwecken seitens E genießt daher ebenfalls Eigentumsschutz. Nur das Baden in dem angrenzenden See bleibt außer Betracht, da der Zugang zur freien Wasserfläche einen eigentumsrechtlich irrelevanten Lagevorteil darstellt (9).

2. Eingriff

Die Naturschutzverordnung verwehrt E, in bestimmter Weise mit seinem Grundstück umzugehen. Die darin liegende Verkürzung seiner Eigentümerrechte (vgl. § 903 BGB) könnte als Enteignung (Art. 14 III GG) oder als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums (Art. 14 I 2 GG) anzusehen sein. Anders als bis zur Naßauskiesungsentscheidung des BVerfG (10) werden Enteignungen auf der einen und Inhalts- und Schrankenbestimmungen auf der anderen Seite nicht mehr als Endpunkte einer stufenlosen Skala von Eigentumseingriffen verstanden. Vielmehr stellen sie verschiedene Rechtsinstitute dar, zwischen denen kein quantitativer, sondern ein qualitativer Unterschied besteht (11). Es bedarf deshalb der Prüfung, welche Art von Eingriff in das Eigentum vorliegt.

a) Enteignung

Enteignung im verfassungsrechtlichen Sinne ist eine staatliche Maßnahme, die auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter eigentumswerter Rechtspositionen des einzelnen gerichtet ist (12). Da die Naturschutzverordnung dem E das Grundstück als solches beläßt, liegt jedenfalls kein Vollentzug des Grundstückseigentums vor.
Im Hinblick auf die Betretungs- und Nutzungsverbote könnte es sich jedoch um einen Teilentzug des Grundstückseigentums handeln. Dies würde zunächst voraussetzen, daß es sich bei den bisherigen Betretungs- und Nutzungsrechten des E überhaupt um teilenteignungsfähige Rechtspositionen handelt. Allerdings besteht Unklarheit darüber, welche Eigenschaften eine Rechtsposition aufweisen muß, um für einen solchen Teilentzug in Betracht zu kommen, insbesondere ob dafür maßgeblich auf den Grad ihrer rechtlichen Verselbständigung abzustellen ist (13). Diese Frage kann hier indessen offenbleiben, da selbst für den Fall, daß die Naturschutzverordnung konkrete, durch Art. 14 I 1 GG geschützte Positionen entziehen sollte, keine Enteignung vorläge. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist nämlich die Abschaffung bestehender Rechte im Zuge einer generellen Neugestaltung des betreffenden Rechtsgebiets auch dann nicht als Enteignung zu qualifizieren, wenn es im neuen Recht keine Entsprechung für die alte Rechtsposition gibt (14). Gleiches gilt, wenn wie hier Nutzungsbeschränkungen verfügt werden, die, mögen sie auch mit dem Entzug konkreter Rechtspositionen verbunden sein, nach ihrem objektiven Sinn und Zweck auf eine situationsbedingte (Um-)Gestaltung der Eigentumsordnung gerichtet sind, nicht hingegen darauf, diese Ordnung ausnahmsweise im Wege der Enteignung (Art. 14 III GG) zu überwinden. Solche Auswirkungen mögen zwar den Gesetzgeber aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zur Gewährung finanzieller Ausgleichsleistungen veranlassen, verändern aber den rechtlichen Charakter der Nutzungsbeschränkungen nicht in der Weise, daß sie Enteignungsqualität erhielten (15).
Es ließe sich freilich erwägen, ob die Nutzungsbeschränkungen das Eigentum des E zu einer wertlosen Hülse entleeren, so daß zwar nicht in der Form, aber in der Sache eine Enteignung vorliegt. Eine nicht als Enteignung verfügte Maßnahme würde bei dieser Sichtweise in eine Enteignung umschlagen, wenn sie den Eigentümer der Privatnützigkeit seines Eigentums ganz oder fast vollständig beraubt. Das BVerfG hat es bisher offengelassen, ob in solchen Fällen die Anwendung von Art. 14 III GG in Betracht kommen kann (16). Indes würde dadurch die vom BVerfG in der Naßauskiesungsentscheidung herausgestellte Trennung der Rechtsinstitute Enteignung einerseits und Inhalts- und Schrankenbestimmung andererseits verloren gehen. Deshalb ist diese Meinung abzulehnen (17); es handelt sich somit auch dann um keine Enteignung, wenn die von der Naturschutzverordnung auferlegten Beschränkungen das Eigentum des E entwerten würden.

b) Inhalts- und Schrankenbestimmung

Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums ist die generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten des Inhabers einer eigentumswerten Rechtsposition durch den Gesetzgeber; sie ist auf die Normierung objektiv-rechtlicher Vorschriften gerichtet, die den Inhalt des Eigentumsrechts vom Inkrafttreten des Gesetzes an für die Zukunft in allgemeiner Form bestimmen (18).
Die angegriffene Naturschutzverordnung regelt für alle Grundstücke des von ihr umfaßten Gebietes Betretungs- und Nutzungsrechte, insbesondere dadurch, daß sie näher bezeichnete Verbote ausspricht. Derartige Regelungen werden von der Rechtsprechung grundsätzlich als Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S. des Art. 14 I 2 GG angesehen (19). Dem liegt die Vorstellung zugrunde, daß jedes Grundstück durch seine Lage und Beschaffenheit sowie durch seine Einbettung in die Umwelt geprägt wird. Die naturschutzrechtlichen Regelungen zeichnen dann lediglich Beschränkungen der Eigentümerbefugnisse nach, die dem Grundstück gleichsam selbst anhaften (20).
Der Annahme einer Inhalts- und Schrankenbestimmung könnte jedoch entgegenstehen, daß sich die Nutzungsverbote nicht unmittelbar aus dem LNatSchG, sondern erst aus einer Rechtsverordnung ergeben, d.h. aus einem Ausführungsakt zum LNatSchG, dessen Anwendungsbereich zudem auf einzelne Grundstücke begrenzt ist. Es könnte daher zweifelhaft sein, ob es sich wirklich um eine generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber handelt, wie es Art. 14 I 2 GG verlangt. Die gesetzgeberische Festlegung von Inhalt und Schranken des Eigentums schließt es aber nicht aus, daß die gesetzlichen Anordnungen der Konkretisierung durch weitere Rechtsakte bedürfen. In diesem Sinne aktualisiert die Naturschutzverordnung die Bindungen, die der Gesetzgeber den Grundeigentümern im Naturschutzrecht generell zumutet (21). Die Naturschutzverordnung ist daher eine Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S. des Art. 14 I 2 GG.

3. Rechtfertigung

Um als Inhalts- und Schrankenbestimmung verfassungsmäßig zu sein, muß die Naturschutzverordnung in formell und materiell ordnungsgemäßer Weise auf einer gültigen Ermächtigungsgrundlage beruhen.

a) Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage im LNatSchG

Von der Gültigkeit der Ermächtigungsgrundlage für die Naturschutzverordnung im LNatSchG kann mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ausgegangen werden.

b) Verfassungsmäßigkeit der Naturschutzverordnung

Laut Sachverhalt ist die Naturschutzverordnung formell ordnungsgemäß erlassen worden. In materieller Hinsicht ist der Verordnungsgeber an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden (22). Er muß einen gerechten Interessenausgleich herbeiführen, indem er sowohl der Privatnützigkeit als auch der Sozialpflichtigkeit des Eigentums, d.h. beiden Elementen des im Grundgesetz angelegten Verhältnisses zwischen der verfassungsrechtlich garantierten Rechtsstellung des einzelnen einerseits und dem Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung andererseits, angemessen Rechnung trägt (Art. 14 I 1, II GG) (23). Das Wohl der Allgemeinheit ist daher nicht nur Grund, sondern zugleich auch Grenze der Beschränkungen, die der Eigentümer hinzunehmen hat. Eigentumsbeschränkungen dürfen nicht weiter gehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. Sollte die Naturschutzverordnung diese Anforderungen verfehlen, hätte das ihre Verfassungswidrigkeit zur Folge. Das gilt auch dann, wenn die Verhältnismäßigkeit im Rahmen des Art. 14 I 2 GG (nur) durch Gewährung eines Ausgleichsanspruchs finanzieller oder sonstiger Art gewahrt werden kann, der Gesetzgeber aber einen solchen Ausgleichsanspruch nicht vorsieht (24).

aa) Eigentumsbeschränkungen als Sozialbindung

Nutzungsbeschränkungen im Interesse des Naturschutzes werden in der Rechtsprechung regelmäßig als Aktualisierung der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 II GG) erachtet (25). Sozialbindung wird insbesondere dann angenommen, wenn ein – als Leitbild gedachter – vernünftiger und einsichtiger Eigentümer, der auch das Gemeinwohl nicht aus den Augen verliert, von sich aus im Blick auf die Lage und die Umweltverhältnisse seines Grundstücks von bestimmten Formen der Nutzung absehen würde. Wichtig ist ferner, ob der Eigentümer die nunmehr verbotenen Nutzungen bereits ins Werk gesetzt hat oder ob er sie erst beabsichtigt. Allerdings kommt es nicht nur auf schon gezogene Nutzungen an. Als maßgebend gilt vielmehr, ob eine zulässige Nutzungsmöglichkeit, die sich nach Art und Beschaffenheit des Grundstücks objektiv anbietet bzw. aufdrängt, untersagt oder wesentlich eingeschränkt wird (26). Voraussetzung für die Gewährung von Bestandsschutz ist mithin, daß der Eigentümer ‘etwas ins Werk gesetzt hat’, d.h. sein Grundstück unter Einsatz von Kapital und/oder Arbeit verändert hat. In solchen Fällen prägt die vom Eigentümer schon verwirklichte legale und Bestandsschutz genießende Nutzung ihrerseits die Situation des Grundstücks, so daß diese Nutzung nicht die Situationsgebundenheit gegen sich, sondern eine Situationsberechtigung für sich hat (27).
Daraus ergibt sich für die hier zu beurteilende Naturschutzverordnung, daß die Grundstückseigentümer die ihnen von ihr auferlegten Einschränkungen als Aktualisierung der Sozialbindung hinzunehmen haben, jedenfalls soweit diese zu einem 25prozentigen Betretungsverbot führen und die Nutzung der Grundstücke betreffen. Bei den Moosbiotopen handelt es sich um Flächen, die sich von ihrer Art und Beschaffenheit her ohnehin nicht für Freizeitnutzungen wie beispielsweise Camping anbieten, so daß die Betretungsverbote im allgemeinen nicht unzumutbar erscheinen. Es ist ferner nicht ersichtlich, daß die Eigentümer der betroffenen Grundstücke auf den anderen Grundstücksteilen Investitionen getätigt hätten, deren Bestandsschutz vorrangig zu berücksichtigen wäre. Im übrigen wirken sich die nunmehr geltenden Nutzungs- und Bewirtschaftungsbeschränkungen in einem wie hier ökologisch erhaltenswerten Gebiet nicht übermäßig belastend aus, zumal die Naturschutzverordnung naturnahe Land- und Forstwirtschaft weiterhin zuläßt.

bb) Wesentliche Nutzungsbeschränkungen als unzumutbare Belastung im Falle des Grundstücks des E?

Es bestehen aber erhebliche Zweifel, ob dies im Ergebnis auch für das Grundstück des E gilt. Außer Betracht bleibt dabei freilich seine Steganlage, da sie schon deshalb nicht bestandsgeschützt ist, weil sie ohne die erforderliche Genehmigung errichtet und überdies nicht genehmigungsfähig ist; es handelt sich mithin um keine legale Grundstücksnutzung. Relevant ist demgegenüber, daß das Grundstück des E nicht nur zu 25 Prozent, sondern zu 75 Prozent von den Betretungsverboten betroffen ist. Im Unterschied zu den anderen Grundstücken könnte es sich daher nicht um eine entschädigungslose, sondern um eine entschädigungspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung handeln, d.h. eine Inhalts- und Schrankenbestimmung, die so stark in die Eigentümerbefugnisse eingreift, daß sie zu ihrer Verfassungsmäßigkeit eines Ausgleichs bedarf (28).
Fraglich ist indes, wie diese beiden Arten von Inhalts- und Schrankenbestimmungen voneinander abzugrenzen sind bzw. wo die eigentumsrechtliche Unzumutbarkeitsschwelle verläuft. Überwiegend werden hierfür die Abgrenzungs- und Schwellentheorien herangezogen, die früher (d.h. vor der Naßauskiesungsentscheidung des BVerfG von 1981) der Unterscheidung von entschädigungspflichtiger Enteignung und entschädigungsloser Inhalts- und Schrankenbestimmung dienten (29). Denn auch bisher schon wurde die rechtliche Beurteilung bestimmt durch die Gesichtspunkte der Zumutbarkeit, des Vertrauensschutzes und einer hinreichenden Differenzierung zwischen den Grundstückseigentümern je nach Art und Schwere ihrer Belastung. Es kommt somit insbesondere darauf an, ob dem E ein Sonderopfer auferlegt wurde. Das ist hier zu bejahen, da die Betretungsverbote, die das Grundstück des E treffen, aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse dreimal so umfangreich sind wie die Betretungsverbote, die für die anderen Grundstücke gelten.
Die Naturschutzverordnung geht folglich bezüglich des Grundstücks des E über die Sozialbindung des Eigentums hinaus. Sie ist dennoch nicht ohne weiteres verfassungswidrig, da wie bereits angesprochen eine für sich betrachtet unzumutbare Inhalts- und Schrankenbestimmung durch Gewährung eines einfachgesetzlichen finanziellen oder sonstigen Ausgleichsanspruchs so gestaltet werden kann, daß sie den Anforderungen der Verfassung genügt. Eine äußerste Grenze ergibt sich freilich daraus, daß die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes eine Bestands- und nicht lediglich eine Wertgarantie ist. Daher lassen sich nicht beliebige Inhalts- und Schrankenbestimmungen durch finanzielle Ausgleichsleistungen verhältnismäßig ‘machen’ (30). Maßnahmen, die zu einer Inhaltsbestimmung ‘auf Null’ führen, können nicht in die Form der Inhalts- und Schrankenbestimmung gekleidet werden. Wenn überhaupt, sind sie allenfalls als Enteignung zulässig und müssen die in Art. 14 III GG enthaltenen Voraussetzungen erfüllen. Als Inhalts- und Schrankenbestimmung stellen sie einen Formenmißbrauch dar und sind auch nicht durch Ausgleichsleistungen zu ‘retten’. Eine solche Inhaltsreduzierung auf Null liegt bei der angegriffenen Naturschutzverordnung wegen der noch verbleibenden Privatnützigkeit des Grundstückseigentums indessen nicht vor.
Eine Ausgleichsregelung ist zwar nicht in der Naturschutzverordnung, jedoch in § 90 LNatSchG* enthalten. Diese Vorschrift gewährt finanzielle Entschädigung, sofern eine auf das LNatSchG gestützte Maßnahme über die Sozialbindung des Eigentums hinausgeht, insbesondere weil die Maßnahme eine wesentliche Nutzungsbeschränkung darstellt, die die wirtschaftliche Nutzbarkeit des Grundstücks unvermeidlich und erheblich beeinträchtigt. Die Entschädigungsnorm muß allerdings selbst verfassungsmäßig sein, um den für nötig erachteten Verhältnismäßigkeitsausgleich leisten zu können.

c) Verfassungsmäßigkeit der Ausgleichsregelung des § 90 LNatSchG

Während von der formellen Verfassungsmäßigkeit der Ausgleichsregelung hinsichtlich Gesetzgebungskompetenz und Gesetzgebungsverfahren mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ausgegangen werden kann, ist fraglich, welche verfassungsrechtlichen Anforderungen im übrigen an die Ausgleichsregelung zu stellen sind.

aa) Keine Anwendbarkeit der Junktimklausel des Art. 14 III GG

Da § 90 LNatSchG keine Enteignungsentschädigung regelt, mithin nicht im Anwendungsbereich des Art. 14 III GG zu verorten ist, muß die Vorschrift jedenfalls nicht der Junktimklausel des Art. 14 III GG genügen

bb) Hinreichende Bestimmtheit sog. salvatorischer Klauseln?

Problematisch erscheint aber, ob die Ausgleichsregelung wie in § 90 LNatSchG als sog. salvatorische Klausel formuliert sein darf, d.h. ob es zulässig ist, daß sie auf die tatbestandliche Fixierung von Fallgestaltungen, bei denen Ausgleich zu leisten ist, verzichtet (32).
Grundsätzlich erfordert das Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz, daß der Gesetzgeber (und nicht die Verwaltung) bestimmt, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen staatliche Maßnahmen ergehen dürfen (33). Weniger strenge Anforderungen bestehen dort, wo der Gesetzgeber Situationen zu regeln beabsichtigt, die sowohl von ihrem Gegenstand als auch von ihrer Häufigkeit her Ausnahmen bilden und die sich wegen der Vielgestaltigkeit der vorstellbaren Sachverhalte kaum tatbestandsmäßig ‘einfangen’ lassen. Um eine solche Situation handelt es sich hier, da der Gesetzgeber Eigentumsbeschränkungen grundsätzlich im Rahmen der Sozialbindung vornehmen und nur ausnahmsweise darüber hinaus gehen will. Gleichwohl entbindet ihn das nicht von der tatbestandsmäßigen Umschreibung der Ausnahmefälle, sofern und soweit das möglich und zur Steuerung des Handelns der Verwaltung aus Gründen der Gewaltenteilung auch geboten ist. Eine Ausgleichsregelung muß daher wenigstens Anhaltspunkte bieten, wann typischerweise Entschädigung zu leisten ist. Im übrigen darf sie pauschal bestimmen, daß Entschädigung gewährt wird, wenn die Eigentumsbeschränkungen über die Sozialbindung hinaus gehen, um zu verhindern, daß naturschutzrechtliche Unterschutzstellungen an einer fehlenden Ausgleichsregelung in atypischen Sachverhaltsgestaltungen scheitern. ‘Reine’, d.h. nicht näher konkretisierte salvatorische Klauseln sind daher verfassungswidrig (34).
Die Ausgleichsregelung des § 90 LNatSchG enthält eine Konkretisierung der Entschädigungsvoraussetzungen, indem sie über den pauschalen Hinweis auf das Überschreiten der Sozialbindung hinaus eine wesentliche Nutzungsbeschränkung fordert, die die wirtschaftliche Nutzbarkeit des Grundstücks unvermeidlich und erheblich beeinträchtigt. Allerdings bleibt sie mit dieser Formulierung weit hinter entsprechenden naturschutzrechtlichen Entschädigungsregelungen anderer Bundesländer zurück, die sehr viel genauer einzelne Tatbestände aufführen, bei deren Erfüllung Entschädigung zu leisten ist (35). Auch wenn ein gewisser ‘salvatorischer Rest’ unvermeidlich sein mag, könnte § 90 LNatSchG gleichwohl zu vage formuliert sein. Indes ist nicht nur der Wortlaut der Norm zu berücksichtigen, sondern es kann auch die (mittlerweile umfangreiche) Rechtsprechung von BVerwG und BGH zu landesrechtlichen Ausgleichsregelungen in der Art des § 90 LNatSchG ergänzend herangezogen werden. Mit Hilfe dieser Rechtsprechung läßt sich der Vorschrift des § 90 LNatSchG entnehmen, daß nutzungsregelnde Maßnahmen des Natur- und Landschaftsschutzes von den betroffenen Eigentümern grundsätzlich als Ausdruck der Situationsgebundenheit ihres Grundeigentums ohne weiteres hinzunehmen sind und daß ihnen nur bei besonderen Umständen Entschädigung zustehen soll. Darüber hinaus haben sich in dieser Rechtsprechung ungeachtet mancher Unterschiede im Detail doch übereinstimmend zwei hauptsächliche Fallgestaltungen herausgebildet, in denen die Grundstückseigentümer nicht dem Regelfall entsprechend auf die Sozialbindung des Eigentums gemäß Art. 14 II GG verwiesen werden können, nämlich zum einen bei Eingriffen in bereits verwirklichte Nutzungen und zum anderen beim Ausschluß von Nutzungsmöglichkeiten, die sich nach Lage der Dinge objektiv anbieten oder sogar aufdrängen (36). § 90 LNatSchG dient daher dem Ausgleich von Härten, die mit derartigen Maßnahmen notwendigerweise und unvermeidbar verbunden sind; ob die Voraussetzungen für einen solchen Härteausgleich vorliegen, kann typischerweise nur anhand der konkreten Situation entschieden werden. Der Regelungsinhalt des § 90 LNatSchG läßt sich somit hinreichend genau bestimmen (37). Die Norm ist daher verfassungsgemäß und kann die Rechtsgrundlage für den für das Grundstück des E erforderlichen Verhältnismäßigkeitsausgleich bilden (38).
Art. 14 GG ist folglich nicht verletzt.

II. Art. 3 I GG (allg. Gleichheitssatz)

Die Naturschutzverordnung betrifft das Grundstück des E weitaus stärker als die übrigen von der Unterschutzstellung erfaßten Grundstücke. Die Ungleichbehandlung findet jedoch ihre Rechtfertigung in dem vom Gesetzgeber legitimerweise verfolgten Zweck, die dort vorhandenen Moosbiotope vor Zerstörung zu schützen. Zur Erreichung dieses Zieles ist das Betretungsverbot geeignet, erforderlich und für E jedenfalls im Hinblick auf die im LNatSchG vorgesehene und wie dargestellt verfassungsmäßige Ausgleichsregelung auch zumutbar.

III. Art. 11 GG (Freizügigkeit)

Die in der Naturschutzverordnung ausgesprochenen Betretungsverbote könnten die grundrechtlich geschützte Freizügigkeit des E verletzen. Der Schutzbereich von Art. 11 GG umfaßt das Recht, an jedem Orte innerhalb des Bundesgebiets Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, auch zu diesem Zwecke in das Bundesgebiet einzureisen (39). Der Begriff des Wohnsitzes wird gemeinhin durch Rückgriff auf § 7 BGB definiert, d.h. es kommt auf eine ständige Niederlassung an, zusammen mit dem rechtsgeschäftlichen Willen, den gewählten Ort zum Mittelpunkt der Lebensverhältnisse zu machen. Demgegenüber wird Aufenthalt umfassender verstanden, und zwar als das Verweilen an einem bestimmten Ort, sei es vorübergehend oder längerfristig, ohne jedoch einen Wohnsitz zu begründen (40).
Hiervon ausgehend wäre das von E betriebene Camping als Aufenthalt anzusehen. Freilich harmoniert ein solch weites Schutzbereichsverständnis kaum mit dem qualifizierten Schrankenvorbehalt in Art. 11 II GG, der ersichtlich auf andere Situationen (unzureichende Lebensgrundlage, Naturkatastrophen etc.) zugeschnitten ist. Zur Behebung dieser Diskrepanz wird von Teilen der Literatur eine Mindestverweildauer verlangt, über deren Länge zwar keine Einigkeit besteht, als deren Untergrenze aber vielfach eine Übernachtung angesetzt wird (41). Da Camping für gewöhnlich mit Übernachtungen verbunden ist, wäre meistens eine Schutzbereichseröffnung anzunehmen. Denkbar wäre ferner, an den Zweck des Aufenthaltes erhöhte Anforderungen zu stellen und das bloße Umherziehen oder Lagern/Zelten aus dem Schutzbereich herauszunehmen. Indes erscheint die mehr oder weniger große soziale Unerwünschtheit solchen Verhaltens eher eine Frage der Grundrechtsschranken zu sein, so daß die Auffassung, daß der Zweck des Ortswechsels unerheblich ist, den Vorzug verdient (42).
Für die Schutzbereichsbestimmung bietet es sich an, den im Begriff der Freizügigkeit angesprochenen ‘freien Zug’ stärker hervorzuheben. Dieser Aspekt deutet darauf hin, daß Freizügigkeit mit der räumlichen Veränderung des alltäglichen Lebenskreises einer Person zu tun hat. Fortbewegungsvorgänge, die sich innerhalb des Lebenskreises abspielen, werden daher von Art. 11 GG nicht geschützt (ggfs. aber von anderen Grundrechten). Wird dagegen der Lebenskreis selbst verlassen oder verlagert, ist der Schutzbereich der Freizügigkeit eröffnet (43). Wenngleich auch die Bezugnahme auf den Lebenskreis begriffliche Unschärfen aufweist (44), so lassen sich mit Hilfe dieses Unterscheidungskriteriums die meisten Fälle überzeugend lösen, wie auch dieser Fall zeigt: Das Camping auf seinem Ufergrundstück verbleibt im Lebenskreis des E (45).
Mangels Schutzbereichseröffnung kann die Freizügigkeit nicht verletzt sein. Die weitere Prüfung von Art. 11 GG erübrigt sich damit (46).

IV. Art. 2 II 2 GG (Freiheit der Person)

1. Schutzbereich

Die Freiheit der Person könnte vom Wortsinn her in der Freiheit gegenüber jeder Form staatlichen Zwanges bestehen. Dann freilich würde sich der Schutzbereich des Art. 2 II 2 GG mit dem des Art. 2 I GG (allgemeine Handlungsfreiheit) decken und Art. 2 II 2 GG seinen Charakter als spezielles Freiheitsgrundrecht verlieren. Es ist deshalb anerkannt, daß sich die Freiheit der Person auf die körperliche Bewegungsfreiheit bezieht, wie es auch der historische Zusammenhang mit dem Institut des Habeas-Corpus und das systematische Verhältnis mit den in Art. 104 GG enthaltenen Garantien insbesondere bei staatlichen Freiheitsentziehungen nahelegen (47). Der Gewährleistungsgehalt des Grundrechts umfaßt indes nicht die Befugnis, sich überall hin begeben zu dürfen. Geschützt ist vielmehr lediglich das Recht, einen Ort oder Raum aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der dem Betreffenden ‘an sich’ zugänglich ist (48). Da E das Betreten und Verweilen auf dem in seinem Eigentum stehenden Ufergrundstück grundsätzlich möglich ist (abgesehen von den in der Naturschutzverordnung enthaltenen Beschränkungen), fällt dieses Verhalten in den Schutzbereich der Freiheit der Person.

2. Eingriff

Die Naturschutzverordnung hindert E daran, bestimmte, ihm ansonsten zugängliche Teile seines Grundstücks zu betreten, und bewirkt somit einen Grundrechtseingriff. In der Literatur wird freilich teilweise die Auffassung vertreten, daß nur physisch wirkende Beschränkungen der Fortbewegungsfreiheit als Eingriffe in Frage kommen (49). Eingriffsqualität hätte dann nicht die Naturschutzverordnung, sondern allenfalls die auf sie gestützten und zu ihrer Durchsetzung ergangenen staatlichen Zwangsmaßnahmen (50). Diese Meinung ist jedoch mit dem dargelegten weiten Schutzbereichsverständnis unvereinbar.

3. Rechtfertigung

Gemäß Art. 104 I GG darf die Freiheit der Person nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden (51). Deshalb kann die in den Betretungsverboten liegende Freiheitsbeschränkung nicht durch die Naturschutzverordnung, sondern nur durch das LNatSchG selbst gerechtfertigt werden. Fraglich ist jedoch, ob es das Grundgesetz erlaubt, daß das LNatSchG die Bestimmung von Art und Umfang der Betretungsverbote dem Verordnungsgeber überläßt. Denn die Forderung nach einem förmlichen Gesetz erscheint nur dann sinnvoll, wenn die Eingriffsvoraussetzungen weitgehend bereits im Parlamentsgesetz festgelegt werden (52). Gewisse Spezifizierungen der freiheitsbeschränkenden Regelung dürfen indes vom Verordnungsgeber vorgenommen werden, zumal wenn wie hier wechselnde und mannigfache Einzelregelungen erforderlich sind (53). In materieller Hinsicht muß die Freiheitsbeschränkung unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen (54). Angesichts der großen Bedeutung des Schutzes der Moosbiotope für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen (vgl. Art. 20a GG) bestehen insoweit keine Bedenken.
Art. 2 II 2 GG ist somit nicht verletzt.

Ergebnis:

Die Verfassungsbeschwerde des E ist zulässig, aber nicht begründet.
 

Anmerkungen:

1. BVerfGE 53, 1 - Schulbücher, betr. Rechtsverordnung; 79, 174 - Straßenverkehrslärm, betr. Bebauungsplan [Satzung].

2. Methodischer Hinweis: Das Vorbringen des Beschwerdeführers verdient genaue Beachtung. Erst im Anschluß daran stellt sich ggfs. die Frage, ob dieses Vorbringen, sollte es zu einem unzulässigen Beschwerdegegenstand führen, in den 'richtigen' Beschwerdegegenstand umgedeutet werden kann.

3. Zur Prüfung der Trias 'selbst, gegenwärtig und unmittelbar' als Kriterium der Beschwerdebefugnis bei Rechtsverordnungen s. Schlaich, BVerfG, Rdnr. 223 ff.

4. Vgl. allgemein BVerfGE 20, 283 (290).

5. BVerfGE 13, 248 (253); 53, 1 (15) - Schulbücher.

6. Demgegenüber will das BVerfG die Jahresfrist des § 93 III BVerfGG auf alle Rechtssatzverfassungsbeschwerden anwenden (E 76, 107 [115] - Raumordnungsprogramm Niedersachsen). Der Konsequenz, daß Rechtssatzverfassungsbeschwerden angesichts der Länge der fachgerichtlichen Verfahrensdauer dann meistens verfristet sein werden, versucht das BVerfG dadurch zu entgehen, daß es behauptet, die Jahresfrist würde mit dem Abschluß des fachgerichtlichen Verfahrens zu laufen beginnen (S. 116). Sollte die Einleitung des fachgerichtlichen Verfahrens an keine Frist gebunden sein (wie es für die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle bis zum 1.1.1997 der Fall war), fordert das BVerfG zudem auch hierfür die Einhaltung einer Jahresfrist (S. 115 f.), so daß sich eine doppelte Jahresfrist ergibt. - Diese Rspr. führt zwar zu
einem vernünftigen Ergebnis, argumentiert aber in mehrfacher Hinsicht contra legem (bzgl. des Fristbeginns sowie bzgl. der zweiten Frist). Ablehnend auch Pestalozza, VerfProzR, S. 189; zustimmend aber D. Umbach, in: Umbach/Clemens, BVerfGG, § 91 Rdnr. 54 ff. - Das BVerfG übersieht in E 76, 107, daß es systematisch geboten und grammatikalisch naheliegend ist, den 2. Halbsatz in § 93 III BVerfGG ( "gegen den ein Rechtsweg nicht offensteht" ) nicht nur auf sonstige Hoheitsakte, sondern auch auf Gesetze zu beziehen: Ist gegen die Rechtsnorm ein Rechtsweg eröffnet, so muß er vor der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde beschritten werden; die Frist beträgt einen Monat und beginnt mit Zustellung der letztinstanzlichen Entscheidung zu laufen. Ist dagegen kein Rechtsweg eröffnet, so ist § 93 III BVerfGG anzuwenden, d.h. die Verfassungsbeschwerde innerhalb eines Jahres seit Inkrafttreten zu erheben (insoweit wie hier D. Majer, in: Umbach/Clemens, BVerfGG, § 93 Rdnr. 25). - Denkbar wäre im übrigen auch, von vornherein eine Urteilsverfassungsbeschwerde zu erwägen. Dies würde freilich eine Umdeutung des Beschwerdegegenstandes voraussetzen (dazu o. Erl. 2) und bewirken, daß Beschwerdegegenstand dann (unmittelbar) die die Verordnung aufrecht erhaltenden gerichtlichen Entscheidungen und (mittelbar) die Naturschutzverordnung selbst sind.

7. Zur Leitbildfunktion des Grundeigentums im Rahmen des Art. 14 GG s. J. Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rdnr. 31 ff.

8. Vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 981.

9. BVerwGE 94, 1 (14) - Herrschinger Moos.

10. BVerfGE 58, 300. Die Entscheidung erging im Jahre 1981.

11. BVerfGE 58, 300 (331) - Naßauskiesung; G. Schwerdtfeger, Eigentumsgarantie, Inhaltsbestimmung und Enteignung - BVerfGE 58, 300, JuS 1983, 104 ff. (108).

12. BVerfGE 79, 174 (191) - Straßenverkehrslärm; 72, 66 (76) - Flughafen Salzburg; 52, 1 (27) - Kleingarten I.

13. Zum Problem s. M. Burgi, Die Enteignung durch "teilweisen" Rechtsentzug als Prüfstein für die Eigentumsdogmatik, NVwZ 1994, 527 ff.

14. BVerfGE 83, 201 (211 f.) betr. das bergrechtliche Vorkaufsrecht.

15. BVerwGE 94, 1 (5 f.) - Herrschinger Moos. Im übrigen handelt es sich bei den Betretungs- und Nutzungsverboten auch nicht etwa um den Vollentzug der entsprechenden eigentumswerten Rechte, da nicht im Wege einer atomisierenden Betrachtungsweise das Ganze des Grundstücks aus den Augen verloren werden darf; vgl. BGH, NVwZ 1996, 930 (931) - Bimsabbau.

16. BVerfGE 79, 174 (192) - Straßenverkehrslärm; vgl. aber auch BVerfGE 58, 137 (145) - Pflichtexemplar.

17. J. Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, 1995, S. 30: sog. konsequente Trennungstheorie.

18. BVerfGE 72, 66 (76) - Flughafen Salzburg; 58, 300 (330) - Naßauskiesung; 52, 1 (27) - Kleingarten I.

19. BVerwGE 94, 1 (3 f.) - Herrschinger Moos; 84, 361 (370 f.) - Serriesteich; BGHZ 126, 379 (381) - Steinbruch; 123, 242 (244) - Flugsanddünen, jew. m. w. Nachw.

20. BVerwGE 94, 1 (4) - Herrschinger Moos.

21. BVerwGE 94, 1 (4 f.) - Herrschinger Moos.

22. BVerfGE 87, 114 (138 f.) - Kleingarten II; 52, 1 (29 f.) - Kleingarten I.

23. Dazu für die Vermögenssteuer BVerfGE 93, 121 (138) - Einheitswert I.

24. BVerwGE 94, 1 (8) - Herrschinger Moos. Diese Rspr. beruht auf der Pflichtexemplarentscheidung des BVerfG, in der erstmals eine Pflicht zum Ausgleich unverhältnismäßiger Inhalts- und Schrankenbestimmungen angesprochen wurde (vgl. BVerfGE 58, 137 [152]). Ein nach Art. 14 I 2 GG erforderlicher Ausgleichsanspruch darf wegen der Geltung des Gesetzesvorbehalts nur auf gesetzlicher Grundlage, nicht aber in Anwendung des richterrechtlich entwickelten allgemeinen Aufopferungsgedankens zuerkannt werden. Zur Aufopferung s. A. Schmitt-Kammler, Der Aufopferungsgedanke, JuS 1995, 473 ff.

25. BVerwGE 94, 1 (10) - Herrschinger Moos; BGHZ 123, 242 (245) - Flugsanddünen.

26. BGHZ 126, 379 (383) - Steinbruch.

27. BVerwGE 94, 1 (13) - Herrschinger Moos; BGHZ 105, 15 (20) - Sandabbau; F. Weyreuther, Die Situationsgebundenheit des Grundeigentums. Naturschutz - Eigentumsschutz - Bestandsschutz, 1983, S. 130, 172. Siehe auch die detaillierte Darstellung der Entwicklung der Rspr. zu Nutzungsbeschränkungen des Grundeigentums bei H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 379 ff.

28. Zu dieser Rechtsfigur s. aus der Lit.: F. Ossenbühl, Ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmungen des Eigentums, in: FS K. H. Friauf, 1996, S. 391 ff.; V. Schlette, Aktuelle Probleme der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung - BGHZ 126, 379, JuS 1996, 204 ff.; M. Albrod, Entschädigungsbedürftige Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums nach Art. 14 I 1, 2 GG,

29. BVerwGE 94, 1 (11) - Herrschinger Moos; BGH, NVwZ 1996, 930 (932) - Bimsabbau; prägnant J. Lege, Wohin mit den Schwellentheorien?, JZ 1994, 431 ff. - Die Ergebnisse der bisherigen Rspr. sind daher auch vor dem Hintergrund der veränderten Eigentumsdogmatik weiterhin verwendbar.

* Als bundeslandunabhängige Aufgabenstellung legt der Fall bei der naturschutzrechtlichen Entschädigungsregelung folgende - fiktive - Vorschrift eines § 90 LNatSchG zugrunde: (1) Hat eine Behörde aufgrund dieses Gesetzes eine Maßnahme getroffen, die über die Sozialbindung des Eigentums hinausgeht, insbesondere weil sie eine wesentliche Nutzungsbeschränkung darstellt, die die wirtschaftliche Nutzbarkeit des Grundstückes unvermeidlich und erheblich beeinträchtigt, so ist dem Eigentümer oder dem sonstigen Berechtigten nach den Vorschriften des Landesenteignungsgesetzes Entschädigung in Geld zu leisten. - Für die Zwecke der Tübinger Klausurkorrektur ist dieser fiktive § 90 LNatSchG durch die Regelung des § 47 bad.-württ. LNatSchG zu ersetzen. Nach den im Text darzustellenden Grundsätzen und neueren Tendenzen in Literatur und BVerwG-Rechtsprechung wäre die bad.-württ. Vorschrift als sog. reine salvatorische Klausel alten Typs verfassungswidrig. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH, der an der Verfassungsmäßigkeit solcher Klausel (noch) festhält, bitte ich jedoch darum, beide Lösungen als gleichwertig zu behandeln.

30. Dazu K. Rennert, Eigentumsbindung und Enteignung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, VBlBW 1995, 41 ff. (48); BGH, NJW 1997, 391 (392) - Thüringer Tierkörperbeseitigungsanstalten; BGHZ 121, 328 (337) - Übernahme gegen Entschädigung.

31. Vgl. BVerwGE 94, 1 (10) - Herrschinger Moos: keine Geltung der Junktimklausel für Inhalts- und Schrankenbestimmungen.

32. Dazu aus der Lit.: W. Rüfner, Enteignungsbegriff, Junktim und salvatorische Klauseln, in: FS K. Boujong z. 65. Geb., 1996, S. 643 ff.; St. Detterbeck, Salvatorische Entschädigungsklauseln vor dem Hintergrund der Eigentumsdogmatik des BVerfG, DÖV 1994, 273 ff.; Thomas Schmid, Zur Verfassungsmäßigkeit salvatorischer Entschädigungsklauseln,

33. BVerfGE 20, 150 (157 f.) - Sammlungsgesetz; umfassend U. Gassner, Kriterienlose Genehmigungsvorbehalte im Wirtschaftsverwaltungsrecht, 1994.

34. Aber strittig. Wie hier etwa Detterbeck, DÖV 1994, 277 f.; D. Ehlers, Eigentumsschutz, Sozialbindung und Enteignung bei der Nutzung von Boden und Umwelt, VVDStRL 51 (1992), S. 211 ff. (234). A.A. weiterhin BGH, NJW 1997, 388 (389) - Gärfutteranlage - für § 19 III WHG, m. w. Nachw. - Insbesondere ältere Gesetze sehen in Anlehnung an die frühere Rspr. namentlich des BGH zum Enteignungsbegriff recht pauschal 'enteignende Wirkung' oder 'Maßnahmen, die einer Enteignung gleichkommen' als Anspruchsvoraussetzung vor. Ein Beispiel für eine solche reine salvatorische Klausel ist § 7 I LandschaftsG a.F. NRW (GBl. 1980 S. 734): Hat eine Maßnahme nach diesem Gesetz enteignende Wirkung, so kann der hiervon Betroffene eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. - Kritisch zur Zulässigkeit dieser Norm BVerwGE 84, 361 (367 f.) - Serriesteich; ohne Bedenken BGHZ 126, 379 (382 ff.) - Steinbruch.

35. Ein Beispiel für eine qualifizierte salvatorische Klausel ist § 38 SächsNatSchG i.d.F. v. 11.10.1994 (GBl. S. 1601):
(1) Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse, die sich aus diesem Gesetz oder durch Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes ergeben, sind im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 des Grundgesetzes) entschädigungslos zu dulden.
(2) Überschreiten die Einschränkungen das in Absatz 1 angeführte Maß und wird hierdurch die wirtschaftliche Nutzbarkeit des
Grundstückes unvermeidlich und erheblich beeinträchtigt, so hat der Betroffene Anspruch auf Entschädigung. Diese muß die entstandenen Vermögensnachteile angemessen ausgleichen.
(3) Eine Entschädigung ist nach Maßgabe von Absatz 2 insbesondere zu gewähren, wenn und soweit aufgrund der Ge- und
Verbotsbestimmungen durch Unterschutzstellungen (§§ 16 bis 22, § 25 Abs. 5) oder zum Schutz bestimmter Biotope (§ 26 Abs. 2)
1. bisher rechtmäßige Grundstücksnutzungen aufgegeben oder erheblich eingeschränkt werden müssen,
2. Aufwendungen an Wert verlieren, die für beabsichtigte, bisher rechtmäßige Grundstücksnutzungen in schutzwürdigem Vertrauen darauf gemacht wurden, daß sie rechtmäßig bleiben,
3. die Lasten und Bewirtschaftungskosten von Grundstücken auch in überschaubarer Zukunft nicht durch deren Erträge und sonstige Vorteile ausgeglichen werden können
und hierdurch die Betriebe oder die sonstigen wirtschaftlichen Einheiten, zu denen die Grundstücke gehören, unvermeidlich und erheblich beeinträchtigt werden.
Ähnlich § 50 NdsNatSchG i.d.F. v. 11.04.1994 (GBl. S. 155); dazu BGHZ 123, 242 (245 f.) - Flugsanddünen. Ähnlich jetzt auch § 7 III LandschaftsG NRW i.d.F. v. 15.08.1994 (GBl. S. 710).

36. BVerwGE 94, 1 (11) - Herrschinger Moos; BGHZ 126, 379 (382 ff.) - Steinbruch, jew. m. w. Nachw.

37. Zur Ergänzung sei darauf hingewiesen, daß die Rechtsentwicklung von den reinen hin zu den qualifizierten salvatorischen Klauseln geht, wie bspw. die Neufassung in NRW deutlich macht (vgl. o. Erl. 35). Zugleich zeigt sich dabei, wie der Gesetzgeber auf Vorgaben der Rspr. reagiert. Denn zum einen beruhte die in den Naturschutzgesetzen früher vielfach verwendete Formel von der enteignenden Wirkung maßgeblich auf der vor der Naßauskiesungsentscheidung von 1981 ergangenen Rspr. namentlich des BGH zum Enteignungsbegriff; zum anderen war die Rspr. gegenüber den reinen salvatorischen Klauseln großzügig (insbes. der BGH, vgl. BGHZ 126, 379 [382 ff.] - Steinbruch).

38. Im Hinblick darauf, daß die Betretungsverbote dem E die Nutzung seines Grundstücks zu 75 Prozent verwehren, käme für ihn die zweite der im Text genannten Fallgestaltungen in Betracht.

39. BVerfGE 80, 137 (150) - Reiten im Walde; 43, 203 (211) - deutsch-tschechoslowakischer Vertrag [1973]; 2, 266 (273) - Notaufnahmegesetz.

40. H. Krüger, in: Sachs, GG, Art. 11 Rdnr. 15 f.

41. D. Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, 1970, S. 52; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 11 Rdnr. 2.

42. K. Hailbronner, Freizügigkeit, in: HStR VI, § 131 Rdnr.

43. So insbes. A. Randelzhofer, in: BK, Art. 11 Rdnr. 28 f. (Zweitbearb.

44. Kritisch I. Pernice, in: Dreier, GG, Art. 11 Rdnr. 13.

45. Im Ergebnis ähnlich M. Burgi, Erholung in freier Natur, 1993, S. 220 ff., der die Freizügigkeit als eine 'qualifizierte Bewegungsfreiheit' versteht und Fortbewegungsvorgänge geringerer 'Intensität' daher nicht Art. 11 GG zuordnen möchte.

46. Wer den Schutzbereich als eröffnet ansieht, hat sich dann mit dem Eingriffscharakter der Naturschutzverordnung und vor allem mit den Schranken des Art. 11 II GG auseinanderzusetzen. Ob es Erfolg verspricht, Beschränkungen des Campings auf den seuchenpolizeilichen Schrankenvorbehalt zu stützen, wie es bei Dürig (in: Maunz/Dürig, GG, Art. 11 Rdnr. 72) anklingt, darf freilich bezweifelt werden.

47. Dazu v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 2 Rdnr. 131.

48. So BVerfGE 94, 166 (198) - Asylrechtsänderung. Strittig; vgl. aus der Lit. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 453: Die Fortbewegungsfreiheit schützt das Recht, jeden beliebigen Ort aufzusuchen (positive Freiheit) und jeden beliebigen Ort zu meiden (negative Freiheit). Anders Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rdnr. 59: Das Grundrecht schütze nicht davor, sich in begrenzten Räumen nicht aufhalten zu dürfen; Manssen, Grundrechtsdogmatik, Rdnr. 300: Geschützt ist nur das Recht, einen bestimmten Ort zu verlassen; nicht aber, sich an einem bestimmten Ort aufhalten zu dürfen.

49. E. Grabitz, Freiheit der Person, in: HStR VI, § 130 Rdnr. 5 ff.

50. Vgl. auch Burgi (o. Erl. 45), S. 218 f., mit der Erwägung, daß die Beseitigung von Zugangs- und Nutzungsrechten der Person zwar Raum zur Bewegung nehme, die Person selbst aber nicht physisch betroffen sei. Art. 2 II 2 GG erfordere jedoch Beeinträchtigungen, die der Anwendung unmittelbaren Zwanges auf die Person selbst gleichkommen.

51. Für Freiheitsentziehungen (d.h. die intensivste Form der Freiheitsbeschränkung) enthalten die Absätze 2-4 des Art. 104 GG noch weiterreichende Anforderungen, die jedoch hier nicht zum Zuge kommen, weil die Betretungsverbote lediglich zu Freiheitsbeschränkungen führen.

52. Näher Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 104 Rdnr. 3.

53. Vgl. BVerfGE 78, 374 (383); 75, 329 (342), jew. zu Straftatbeständen.

54. Chr. Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 104 Rdnr. 17.

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erstellt 03.07.97/Kr.